Sparpläne der Landesregierung

#1 von Edgar , 25.05.2009 14:56

Zitat
Jetzt fangen die Kämmerer mit dem Nachrechnen an[/size]

Ergebnis der Steuerschätzung bedeutet auch Abstriche in den Kommunen - Entlastung für das
Land beim Länderfinanzausgleich


Stuttgart - Der erste Schreck über die von den Steuerschätzern in Aussicht gestellten milliardenschweren
Mindereinnahmen hat sich gelegt. In den Amtsstuben - vor allem der Rathäuser - werden jetzt die
Taschenrechner bemüht, damit man sich den Haushaltszahlen der Zukunft annähern kann.
Bis 2012 wird Baden-Württemberg insgesamt 6,3 Milliarden Euro weniger einnehmen als bisher erwartet.
Das haben die Beamten im Finanzministerium des Landes aus den Zahlen der Steuerschätzer errechnet
und damit bei Finanzminister Willi Stächele (CDU) "alle Alarmglocken" zum Schrillen gebracht.

Es trifft auch die Kommunen
Aber nicht nur das Land muss mit weniger Geld als gedacht auskommen. Die Ausdünnung des
Fiskalstroms trifft auch die Kommunen. Auch die Gemeinden, Städte und Landkreise im Südwesten hatten
profitiert, solange die Konjunktur brummte. Im vergangenen Jahr kassierten sie 5,8 Prozent mehr Steuern
als im Jahr zuvor. Besonders gut war die Einkommensteuer gelaufen; die positiven Beschäftigungszahlen
im Land ließen die Gemeinden um 13,3 Prozent mehr aus dieser Quelle schöpfen. Zum Vergleich: die
Gewerbesteuer mit plus 1,3 Prozent oder die Grundsteuer B mit plus 1,5 Prozent waren demgegenüber lange nicht so einträglich.
Die Gemeindeverwaltungen und die Gemeinderäte nutzten die günstige Finanzlage, um ihre
Verpflichtungen abzubauen. Das gelang im Durchschnitt sehr ordentlich. Zahlen des Statistischen
Landesamtes zufolge schraubten die Kommunen ihren Schuldenstand um 8,8 Prozent auf 5,5 Milliarden
Euro zurück. Die Pro-Kopf-Verschuldung wegen kommunaler Kredite sank um satte 50 auf 513 Euro. Zum
Vergleich: das Land hat seinen Schuldenstand bei 41,7 Milliarden Euro eingefroren. Das lastet jedem
Einwohner rechnerisch 3878 Euro auf. Weitere 15 Kommunen hatten Ende vergangenen Jahres am
Kreditmarkt keine Schulden mehr; insgesamt waren es zum Jahreswechsel 117 von nunmehr 1102
Gemeinden im Land.
Auch für die Kommunen brechen aber schlechtere Zeiten an. Noch am vergangenen Freitag hat das
Finanzministerium den kommunalen Spitzenverbänden die Auswirkungen der Steuerschätzung
nahegebracht. Demnach werden als Anteil der Gemeinden an der Einkommensteuer mit 4,1 Milliarden
Euro 300 Millionen Euro weniger erwartet. Die Schlüsselzuweisungen werden knapper ausfallen: Der
Grundkopfbetrag für die Gemeinden wird um 15 Euro gekürzt; auch die Landkreise bekommen weniger,
bei ihnen sinkt der Kopfbetrag, der als Grundlage zur Berechnung dient, um sieben Euro. Die Stadtkreise
erhalten vier Euro je Einwohner weniger. Darüber hinaus wird die kommunale Investitionspauschale um
3,50 Euro je Einwohner gekürzt (und beträgt jetzt nur noch 33,50 Euro). Damit rechnen jetzt Kämmerer
aus, was das für ihren Ort bedeutet.

Optimisten hoffen
Das Land muss sich überlegen, wie es im kommenden Jahr ein Einnahmeloch von 2,9 Milliarden Euro
stopft. Das ergibt sich aus 1,74 Milliarden Euro aktuell erwarteter Wenigereinnahmen und einer schon
zuvor klaffenden Lücke von knapp 1,2 Milliarden. Optimisten mögen darauf hoffen, dass die im
vergangenen Jahr gebildeten Rücklagen höher sind, als die im laufenden Jahr anfallenden
Mindereinnahmen. Diese sollen laut Steuerschätzung 700 Millionen Euro betragen.
Vielleicht sind es auch weniger. Ein Blick zurück zeigt, dass die Solidarlasten des Landes
etwa für den Länderfinanzausgleich bei wachsenden Steuereinnahmen relativ stärker steigen - und
umgekehrt. "Hier treten für das Land voraussichtlich gewisse Entlastungen ein", hofft Stächele. Tatsächlich
weisen die vorläufigen Zahlen des Bundesfinanzministeriums für das erste Quartal in diese Richtung.
Demnach muss das Land mit einer Rechnung für den Länderfinanzausgleich in Höhe von 632 Millionen
Euro rechnen - fünf Millionen weniger als im vergangenen Jahr. Da das Land in Zeiten schwacher
Steuereinnahmen nicht nur an andere Länder, sondern auch in den kommunalen Ausgleich weniger
abzweigt, dürfte die Lücke zwischen den Bruttosteuereinnahmen und dem fürs Land übrig bleibenden
Netto in naher Zukunft schmäler werden.

Die Lücke beträgt mehr als drei Milliarden Euro
Wenn das Land 2009 also weniger als 700 Millionen Euro Mindereinnahmen verkraften muss, ist das mit
den gehorteten Rücklagen gut zu machen. Für das Loch im nächsten Jahr reicht es keinesfalls mehr.
Schon gar nicht für die für 2011 prognostizierte Lücke von fast 3,6 Milliarden Euro.
So viel an den Ausgaben wegzustreichen ist eine Herkulesaufgabe. "Die Politik der Einsparungen mit dem
Rasenmäher ist am Ende, jetzt müssen Prioritäten gesetzt werden", fordert dazu der finanzpolitische
Sprecher der Grünen im Landtag, Eugen Schlachter. Die Landesregierung müsse eine "akribische
Bestandsaufnahme" dessen machen, "was Aufgabe des Landes ist und was nicht" - die Finanzierung des
Bahnprojekts Stuttgart 21 zum Beispiel. Der Finanzexperte der SPD-Fraktion, Nils Schmid, fordert einen
Nachtragshaushalt, der nicht nur die Sicherungsmaßnahmen für die Landesbank Baden-Württemberg
umfasst, sondern auch die vorausgesagten Einnahmeausfälle. Der Landtag sei frühzeitig mit der
politischen Verarbeitung der Steuerausfälle zu befassen, fordert er.

Thomas Breining

Quelle: Stuttgarter Zeitung online v. 19.05.2009

Zitat
Finanzminister fordert Sparkurs

"600 Millionen Euro jährlich sparen"


Stuttgart - Es wird ernst. Als Reaktion auf die dramatischen Steuerausfälle kündigt Landesfinanzminister Willi Stächele (CDU) im Interview mit unserer Zeitung einen nochmals verschärften Sparkurs an.

Herr Stächele, haben Sie sich vom Schock der schlechten Steuerschätzung schon erholt?
Wir wussten, dass die Wirtschaftsleistung um sechs Prozent sinkt und das nicht ohne Folgen für die Steuereinnahmen bleibt. Aber die erwarteten Steuerausfälle von mehreren Milliarden Euro bis zum Jahr 2013 sind dramatisch.

Wie geht es jetzt weiter?
Zuerst wird es darum gehen, wie wir mit dem beherrschbaren Minus von 700 Millionen Euro für das laufende Jahr fertig werden. Ich gehe davon aus, dass wir die Hälfte des Betrages mit einem guten Rechnungsabschluss von 2008 abdecken. Dazu kommen niedrigere Zinsbelastungen und Einsparungen im Personalbereich, so dass wir knapp 200 Millionen Euro aus den Rücklagen entnehmen müssen. Ich will unbedingt erreichen, dass wir in diesem Jahr keine neuen Schulden im Landeshaushalt machen.

Aber für 2010 und 2011 wird es heikel.
Richtig. Wir erwarten im ersten Jahr rund 1,7 Milliarden Euro Steuermindereinnahmen, danach 1,8 Milliarden. Mit den in der mittelfristigen Finanzplanung in diesen Jahren bereits enthaltenen Deckungslücken von rund drei Milliarden Euro werden es natürlich gravierende Defizite.

Wie wollen Sie diese decken?
Ich gehe davon aus, dass wir 2010 und 2011 insgesamt rund 500 Millionen Euro aus den Rücklagen entnehmen. Zudem wird es Chefgespräche mit den Ministerien geben, die alle ihren Sparbeitrag leisten müssen.

Welchen Betrag erwarten Sie?
Nach unseren Berechnungen müssen die Ministerien in beiden Jahren jeweils rund 600 Millionen Euro Einsparungen bringen.

Damit wäre die Nullverschuldung 2010 aber trotzdem noch nicht zu erreichen.
In der Tat wächst bei mir die Sorge, dass wir 2010 und 2011 neue Schulden für den Landeshaushalt aufnehmen müssen. Aber es macht keinen Sinn, schon jetzt darüber und über die Höhe zu spekulieren. Wir müssen die Wirtschaftsentwicklung und die nächste Steuerschätzung im Herbst abwarten. Deshalb werde ich die Chefgespräche erst im Herbst führen, wenn wir klarer sehen.

(Wie ist) es bei den Investitionen des Landes, zum Beispiel in Bildung und Straßenbau?
Diese Investitionen im Rahmen der beiden Konjunkturpakete müssen sein. Denn wir gehen bei unseren Prognosen davon aus, dass diese öffentlichen Maßnahmen gerade im Baubereich für Impulse sorgen und damit die Wirtschaft ankurbeln. Wenn wir diese Investitionen stoppen, würden wir uns also nur selbst schaden.

Mit Blick auf die Bundestagswahl wird derzeit intensiv über Steuersenkungen gesprochen. Gibt es dafür noch einen Spielraum?
Wir wissen sehr wohl um die Notwendigkeit von Steuerentlastungen, gerade im Bereich der kalten Progression, die der Bürger im Geldbeutel spürt. Aber auch im Bereich der steuerlichen Abzugsmöglichkeiten von Finanzierungskosten bei Unternehmen gibt es gerade in der jetzigen Krise noch viel zu tun. Baden-Württemberg hat zudem einen Spezialwunsch, nämlich die Entlastung der Gastronomie, die einen reduzierten Mehrwertsteuersatz braucht, damit die Wettbewerbsverzerrung im Grenzgebiet aufgehoben wird. Aber es kann nur große Steuerentlastungen geben, wenn sich die Wirtschaft positiv entwickelt und es wieder Wachstum gibt. Das war schon immer die Position unserer Landesregierung, und bei der bleibt es auch. Alles andere wäre Traumtänzerei. Mit mir wird es jedenfalls keine kreditfinanzierten Steuerentlastungen geben.

Werden Sie sich auf Bundesebene mit dieser Position durchsetzen können?
Natürlich wirken wir mit, auch bei der Erstellung von Wahlprogrammen. Die Stimme von Baden-Württemberg war nicht immer beliebt und angenehm, aber in Sachen Steuerentlastungen wurde sie wahrgenommen.

An einem Punkt kommen Sie aber nicht vorbei: Die steuerliche Absetzbarkeit der Krankenkassen- und Pflegeversicherungsbeiträge muss ab 2010 kommen.
Das ist ein Gebot des Bundesverfassungsgerichts, das wir ab 2010 umsetzen werden, über das merkwürdigerweise derzeit aber niemand mehr redet. Dabei wird das den Landeshaushalt mit weiteren 400 Millionen Euro Mindereinnahmen pro Jahr treffen und die Bürger spürbar entlasten. Allerdings haben wir diese Verluste bereits in unserer Finanzplanung einkalkuliert.

Stichwort Verluste: Der neue Landesbank-Chef Hans-Jörg Vetter wird mehr verdienen als sein Vorgänger Jaschinski. Wie erklären Sie das dem Steuerzahler?
Wer immer dafür Sorge getragen hat, dass der bisherige LBBW-Chef gehen musste, der wusste auch, dass mit einem neuen Vorstandsvorsitzenden auch neue Verträge ausgehandelt werden müssen. Wir holen hier keinen arbeitslosen Banker, sondern einen anerkannten Fachmann, der einen festen Vertrag hatte. Insofern hat das Aushandeln des neuen Vertrages seine Grenzen, weil Herr Vetter berechtigterweise auf seinen Besitzstand pochen kann.

Und der beträgt als Fixgehalt schon mal über eine Million Euro pro Jahr.
Über Verhandlungsdetails darf und will ich keine Auskunft geben. Aber allgemein gesprochen bewegen wir uns in Dimensionen, die marktgerecht sind.

Der Beschluss des Landtags, wonach der LBBW-Chef nicht mehr als 500000 Euro Grundgehalt haben darf, ist damit hinfällig.
Wir haben eben eine neue Situation, auf die wir uns nun einstellen müssen.

Wann ist der Vertrag unterschriftsreif?
Wir sind derzeit in der internen Beratung. Ich gehe davon aus, dass wir die Gespräche nach Pfingsten zu Ende bringen.

Und Herr Vetter muss sich dann alsbald um die Fusion mit der BayernLB kümmern. Oder ist der Plan vom Tisch?
Nein, die Notwendigkeit zur Neuordnung der Landesbanken bleibt weiter auf der Tagesordnung. Die Gespräche sind aufgrund der Banken- und Finanzkrise nur unterbrochen worden. Alle Häuser machen jetzt erst einmal ihre Hausaufgaben. Aber man muss die Neuordnung fest im Auge behalten, und ich gehe davon aus, dass die Gespräche noch in diesem Jahr fortgesetzt werden.

Frank Krause

Quelle: Stuttgarter Nachrichten online v. 25.05.2009

[size=120]Siehe auch meinen Beitrag in diesem Forum:
"Stuttgart 21": Die Ursache allen (ÖPNV-) Übels im 'Ländle'?

 
Edgar
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Registriert am: 19.07.2007


   

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