Der Stadttunnel
Verkehrsexperte Monheim warnt Freiburg vor Millionengrab - Grüne zaudern
Am Dienstag entscheidet der Freiburger Gemeinderat über die Vorfinanzierung des Stadttunnels. Die Chancen, das 310-Millionen-Euro-Bauwerk früher zu verwirklichen. sollen sich dadurch erhöhen. Vor allem den Lärm und Abgas geplagten Anwohnern der B 31 in der Wiehre verspricht der Tunnel Entlastung. Eine andere Entlastung empfiehlt der Verkehrsplaner Heiner Monheimden Freiburgern: Rigorose Beschränkungen des Verkehrs und ein Ausbau des Öffentlichen Personenverkehrs. Ein Tunnel, sagt Monheim, löst keine Probleme und ist wegen des zurückgehenden Verkehrs ohnehin überflüssig.
Der Mann könnte den Grünen aus der Seele sprechen. Und ein bisschen tut er es auch. Als Monheim am Donnerstagabend bei einer Podiumsdiskussion zum Stadttunnel leidenschaftlich gegen den Verkehr in der Stadt sprach und zu zivilen Ungehorsam gegen den Schwerlastverkehr aufrief, hatte er auch die Sympathie der beiden grünen Stadträte im Publikum, Eckart Friebis und Helmut Thoma. Doch die Zeiten, als Friebis auf Bäume kletterte, um neue Straßen zu verhindern. liegen lange zurück. Die Stadträte redeten von politischen Mehrheiten, die man gewinnen müsse vom Nadelöhr Freiburg, wo der Verkehr nun mal durch müsse.
Monheim aber sprach von einer "Zeitenwende". Der Professor aus Trier gehört zu den schärfsten Kritikern autofixierter Verkehrspolitik. Zehn Jahre lang war er Referatsleiter im Verkehrsministerium in Düsseldorf. Seine Hauptaufgabe dort: Mit der Forderung nach 100 Autotunneln in Nordrhein--Westfalen fertig zu werden. Tatsächlich wurden nur wenige gebaut. Der Mann hat viel Erfahrung, kennt die Bürokratie in- und auswendig und er nennt Alternativen: Nachtfahrverbot für Lastwagen, überwachtes Tempolimit, eine Tonnage-Beschränkung, LKW-Maut- und Pförtnerampeln im Dreisamtal, die die Ampeln auf Rot stellen, wenn zu viel Verkehr in der Stadt ist. "In Nordrhein-Westfalen gibt es das überall." Nicht aber in Baden- Württemberg.
"Alles nicht umsetzbar". stöhnte Helmut Thoma, der sich konkrete Vorschläge erhofft hatte. Doch an einem Punkt wollte Monheim keiner widersprechen: Seit der Ölpreis explodiert, hat der Verkehrswissenschaftler ein gewichtiges Argument mehr. Er sprach von einer sich änderten Welt und kritisierte Verkehrsplanungen, die auf sieben Jahre alte Prognosen beruhen, und bei denen Kraftstoffpreise keine Rolle spielen. Der Professor ließ keine Zweifel, was er von solchen "Bürokraten mit Scheuklappen" hält:"Die haben doch nicht mehr alle Tassen im Schrank."
Ein Beleg für die "Zeitenwende" lieferte Moderator Björn Slawik, Geschäftsführer der Fesa: Seit vier Monaten sei der Verkehr im Land rückläufig, wie er der Statistik des Regierungspräsidium Tübingen entnahm. "Autofahren" wird verdammt teuer. Wir sind erst am Anfang", so Monheim.
Es tritt jetzt also genau das ein, was die Grünen schon immer vorausgesagt haben. Das sei Wasser auf unsere Mühlen, befand dann auch Thoma. Und auch Friebis "glaubt und hofft" - Klimaschutzgründen -, dass es so kommt. Was aber, wenn das Öl billiger wird und der Verkehr weiter zunimmt? Friebis: "Dann stehen wir ohne Pläne da." Also stimmen wohl auch die grünen für die Vorfinanzierung des Stadttunnels - wenn´s schief geht, kostet das der Stadt fünf Millionen Euro, wenn´s klappt eine Million.
Monheim merkte, das er an diesem Abend nur mit kleinen Schritten vorankommt: Wenn die Tunnelplanung schon sein müsse, dann sollt6en die grünen wenigstens den Passus einbringen, dass ständig neue Verkehsprognosen zugrunde gelegt werden müssten - Monheim ist überzeugt, dass dadurch das Projekt schon bald auf das Abstellgleis kommt.
Dirk Blens, Sprecher der "Initiative Stadttunnel", neben Mitorganisator Hannes Linck vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) ebenfalls auf dem Podium, hatte einen schweren Stand gegen den rhetorisch versierten Professor. Nach kurzer Konfrontation mit VCD-Mitbegründer Monheim fanden die beiden aber erstaunlich viele Gemeinsamkeiten.
Schließlich kämpfen beide gegen die Auswirkungen des Autoverkehrs. Zum Schluss tauschten sie sogar ihre Adresse aus.
Quelle: "Der Sonntag" vom 20 Juli 2008