Braucht Freiburg ein Kurzstreckenticket?
Ein Einzelfahrschein für Bus und StraBa kostet in Freiburg 2,10 Euro. Egal ob man vom Bertoldsbrunnen zum Bahnhof oder von Littenweiler bis nach Landwasser fährt. In den meisten größeren Städten gibt es für kurze Strecken vergünstigte Preise, ein Kurzstreckenticket. Damit kann man zwischen drei und sechs Stationen fahren. Braucht Freiburg so ein Kurzstreckenticket?
In Freiburg gibt es kein Kurzstreckenticket. In vielen Großstädten hingegen gibt es Kurzstreckentickets. Sie kosten zwischen einem Euro und 1,60 Euro, der normale Einzelfahrschein kostet regelmäßig 50 Cent bis ein Euro mehr.
Auch Konstanz und Heidelberg sind Kurzstreckenticket-los. Je kleiner die Stadt desto eher kein Kurzstreckenticket? „In Freiburg liegen die Haltestellen so nah beieinander, dass man ein, zwei Stationen doch eher laufen würde“, sagt Stadträtin Gabi Rolland, die verkehrspolitische Sprecherin der SPD.
Vergünstigungen, die es in Freiburg gibt, sind das 2x4-Ticket, die Punktekarte, das 24h-Regioticket, die Regiokarte als Monats- und Jahresticket, das Semesterticket, Schülerkarten und Studenten fahren ab 19 Uhr umsonst.
Eine Nachfrage scheint dennoch zu bestehen. [fudder-Umfrage: Braucht Freiburg ein Kurzstreckenticket?] „Wir haben sehr viele Fahrgäste, die nach einem Kurzstreckenticket fragen. Der Bedarf ist sicherlich da“, sagt Steve Grötzebauch vom VAG-Fahrgastbeirat, einem unabhängigen Gremium aus ehrenamtlichen Mitgliedern, das die Fahrgäste gegenüber der VAG vertritt. „Der Fahrgastbeirat ist sehr für das Ticket. Wir haben das bereits mehrmals gegenüber der VAG beziehungsweise dem RVF deutlich gemacht!“
Die Jusos sind die einzige Gruppierung, die in ihrem Kommunalwahlprogramm 2009 die Einführung eines Kurzstreckentickets fordert. „Wir vertreten damit ein Anliegen unserer Mitglieder. Das sind hauptsächlich Schüler und Studenten“, sagt Jakob Fuchs aus dem Juso-Vorstand. Gerade unter jungen Leuten bestehe – trotz Semesterticket – die Nachfrage nach einem verbilligten Ticket für kurze Strecken. „Außerdem könnte mit einem Kurzstreckenticket eine stärkere Auslastung der Züge, gerade abends und an den Wochenenden, erreicht werden.“
Eine konkrete Ausarbeitung ihrer Forderung haben die Jusos nicht anzubieten. „Da es ja eher unrealistische ist, dass wir an den Schalter kommen, um unsere Positionen durchzusetzen.“ In etwa stelle man sich ein Ticket für einen Euro, für drei bis vier Haltestellen, im Stadtgebiet, vor.
Im Gemeinderat vertreten sind die Jusos derzeit nicht. Ihre Forderungen auch nur auf die Tagesordnung einer Gemeinderatssitzung zu bringen, ist daher nicht möglich. Zumal die Mutterpartei – die SPD – die Auffassung der Jusos nicht teilt. „Die Fraktion der SPD befürwortet die Einführung eines Kurzstreckentickets nicht“, sagt Gabi Rolland. Sie verstehe das Anliegen zwar gut. Dennoch stimme die SPD mit der Position des RVF überein.
Der RVF – Regio-Verkehrsverbund Freiburg GmbH – betreibt in Freiburg, Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen den öffentlichen Nachverkehr. Größter Gesellschafter ist die VAG. Die Position des RVF ist eindeutig. „Ein Kurzstreckentarif wäre der Beginn einer Verkomplizierung unseres Tarifsystems und mit den Grundsätzen des RVF nicht in Einklang zu bringen“, sagt Anna Dingler-Mangos aus der Geschäftsstellenleitung des RVF.
Der Grundgedanke des hiesigen Tarifes sei ein möglichst leicht verständliches Fahrkartensystem. „Wenn Sie sich in anderen Tarifverbünden oder auch Stadtverkehren umschauen, dann werden Sie sehr häufig auf komplizierte Tarifmodelle mit Zonen oder Waben treffen. Unserer Meinung nach gilt aber: Je differenzierter und komplizierter ein Tarifsystem ist, desto mehr wird es zu einer Hürde den Nahverkehr zu nutzen.“
Umfangreiche Untersuchungen zur Tarifstruktur und Analysen zur Kundenzufriedenheit hätten gezeigt, dass sich das Tarifsystem des RVF bestens bewährt habe. Auch SPD und Grüne im Gemeinderat berufen sich auf diese Untersuchungen.
Den Unternehmen des RVF würde durch die Einführung eines Kurzstreckentarifs zudem ein spürbarer Mehraufwand entstehen. „Zum einen ein enormer Informationsmehraufwand durch haltestellenscharfe Information über die Gültigkeit, zum anderen beträchtliche Anpassungskosten in der Vertriebstechnik durch haltestellengenaue Kennzeichnung der Fahrscheine von Fahrkartendruckern und Entwertergeräten. Und so weiter.“
Eine gute Alternative sieht Gabi Rolland in dem 2x4-Ticket. Das Ticket kostet 15,70 Euro statt 16,80 Euro für acht Einzelfahrscheine. Das ist ein Ersparnis von 1,10 Euro. Pro Ticket sind das knapp 14 Cent.
Neben der SPD stimmen auch die Fraktionen der Grünen und der CDU mit der Position des RVF überein. Die kleinen Fraktionen stehen der Einführung eines Kurzstreckentickets dagegen aufgeschlossener gegenüber. „Die Idee eines Kurzstreckentickets ist mir durchaus sympathisch“, sagt Stadtrat Sascha Fiek von der FDP. Zwar habe weder seine Fraktion noch seine Partei zu diesem Thema bisher einen Beschluss gefasst. Und auch die Position des RVF ist Sascha Fiek unbekannt. Wenn tatsächlich ein Bedarf bestehe, dann sei er jedoch für eine probeweise Einführung eines Kurzstreckentickets. „Für ein halbes Jahr oder so. Um herauszufinden, ob das machbar wäre.“
Auch Stadtrat Coinneach McCabe von der Grünen Alternative hat anscheinend noch nicht über das Thema nachgedacht. „Zu viel andere Arbeit.“ Die Grüne Alternative würde ein Kurzstreckenticket aber unterstützen. „Gerade für ältere Leute, die auch kurze Strecken nicht mehr so gut laufen könnten, scheint mir das sinnvoll.“
Ein weiteres Argument des RVF ist die Regiokarte. „Wer eine Zeitkarte erwirbt ist Stammkunde. Daher liegt der Schwerpunkt unseres Tarifsystems bei günstigen Monats- und Jahreskarten.“ Auch mit dem Ziel, so viele Personen wie möglich an die Regiokarte zu binden, stimmen die großen Fraktionen im Gemeinderat – Grüne, CDU und SPD – einmütig überein.
Bei so viel Eintracht scheint das Anliegen von Steve Grötzebauch wenig Aussicht auf Erfolg zu haben. Der gibt sich dennoch kämpferisch: „Ich werde weiter für ein Kurzstreckenticket kämpfen. Denn jeder Tropfen höhlt den Stein.“