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Zur Erinnerung an ein erschütterndes Kapitel der Geschichte Freiburgs
Ein Foto aus dem Stadtarchiv Freiburg
[attachment=4]Zerstörte Synagoge in Freiburg (EinesTages.Spiegel.de).jpg[/attachment] [attachment=3]Synagoge in Freiburg.jpg[/attachment]
Zitat
Mit der Vertreibung der Juden aus Freiburg im Jahr 1424 erlöscht das Leben der seit 1281 bezeugten mittelalterischen Judengemeinde. Erst mehr als 400 Jahre später, nach dem Emanzipationsgesetz von 1862, konnten Juden wieder in Freiburg das Bürgerrecht erwerben. Bei der Gründung der Jüdischen Gemeinde 1864 besaßen immerhin schon neun der 35 Wählenden das Bürgerrecht.
Der anfänglich genutzte Betsaal am Münsterplatz sollte im Laufe der 60er Jahre durch eine Synagoge ersetzt werden. Dazu verkaufte die Stadt ein Grundstück am Rande der mittelalterlichen Bebauung auf einem der abgetragenen Reparts. Mit finanzieller Unterstützung der Mannheimer Gemeinde wurde der Bau diese Synagoge 1870 abgeschlossen.
Als Architekten konnten die Gemeinde den Gewerbeschuldirektor G.J. Schneider gewinnen, dessen bekanntestes Gebäude das 1859-1861 errichtete "Colombischlößchen" in Freiburg war.
Als die Synagoge nicht mehr genug Platz bot, erhielt sie 1925/26 an der Frontseite eine Erweiterung, bei der Rundbogenfenster und ein neoromanisches Fries die Verklammerung zum Hauptbau darstellten.
Das Gebäude wurde in der Reichspogromnacht zerstört.
Quelle: Jüdische Gemeinden in Baden
Weitere Bilder aus anderen deutschen Städten zur Nacht des 09./10. November 1938 gibt es hier
[attachment=1]Platz der Synagoge.jpg[/attachment]
[attachment=0]Synagoge Freiburg - Gedenkstein.jpg[/attachment]
[attachment=2]'Platz der Alten Synagoge'.jpg[/attachment] Quelle (mit dazugehörigem Text): Stadt Freiburg
Über die Zukunft des "Platzes der Alten Synagoge" siehe in diesem Forum in
"Umfrage: Geplante Großprojekte der Stadt Freiburg"
(mit Entwürfen/Modellen verschiedener Architekten)
Dieser Beitrag wird - so es keine weiteren Einträge dazu gibt - morgen Abend wieder herausgenommen oder ins "Archiv" verschoben.
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Badische Zeitung v. 08.11.2008[/size]:
[size=125]"Die brennen in ganz Deutschland…"
Am frühen Morgen des 10. November 1938 kurz nach 4 Uhr erhielt der Schlossermeister Anton F., Sturmbannführer der SA, einen Anruf mit der Aufforderung, 10 bis 15 Mann zusammenzurufen und sich beim Stadttheater einzufinden. Zuvor hatte F. mit SA-Kameraden in der Wirtschaft zum alten Wiehrebahnhof Beförderungen innerhalb der SA gefeiert.
Bei seinem Eintreffen brannte die Freiburger Synagoge an der Werderstraße neben dem Kollegiengebäude der Universität lichterloh, etwa 30 bis 40 Zivilisten liefen um die Synagoge herum. Auf Befehl des SS-Standartenführer Walter Gunst und des SA-Brigadeführer Joachim Weist hatten Gefolgsleute im nahegelegenen Milchhof Benzin organisiert, damit das Innere der Synagoge bespritzt und diese angezündet; die herbeigeeilten Löschzüge der Feuerwehr richteten ihre Schläuche auf die Grundmauern des Gebäudes. Rabbiner Siegfried Scheuermann, Kantor David Ziegler und der Vorsteher des Synagogenrates Löb David Maier, von Gestapo-Leuten aus ihren Betten geholt, mussten den Brand mit ansehen. In der Freiburger Innenstadt, der Adolf-Hitler-, heute Kaiser-Joseph-Straße, schlugen SA-Trupps die Schaufenster von Geschäften ein, deren Inhaber Juden waren.
Die sogenannte "Reichskristallnacht" war kein "Ausdruck spontaner Volkswut", wie die NS-Hetzblätter später titelten; es waren Aktionen der Gestapo, der SS und der SA. Sie benutzten das Attentat auf den Legationssekretär Ernst von Rath am 7. November in Paris, eine Verzweiflungstat des 17-jährigen Juden Herszel Grynszspan, dessen Eltern zuvor Opfer der ersten großen Deportation der Ostjuden waren, um gegen die Juden loszuschlagen. Eine Hetzrede von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels bei einem NS-Prominententreffen verstanden die Geladenen, unter ihnen auch der Gauleiter Badens, Robert Wagner und sein Stellvertreter Hermann Röhn, als "indirekten Pogromaufruf". Und diesen gaben sie direkt per Telefon an die untergeordneten Stellen durch; die "spontanen Vergeltungsmaßnahmen" sollten in Zivil durchgeführt werden. Überall im Reich wurden in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 von Angehörigen der SA und der SS zahlreiche Gewalttaten begangen, Synagogen zerstört, Geschäfte verwüstet, Juden gequält und ermordet; unter der tätigen Mitwirkung örtlicher Polizeibehörden verschleppten SS und Gestapo Tausende jüdische Männer in Konzentrationslager.
In Freiburg erfolgten die Aktionen unkoordiniert. Angehörige der Gestapo, die in der Nacht ein Fernschreiben aus Berlin erhalten hatten mit dem Befehl, "aus der hiesigen Synagoge sofort die Wertsachen sicherzustellen und alles übrige der SS zu überlassen", durchsuchten noch den Keller der Synagoge nach Dokumenten und hatten Mühe, das Gebäude rechtzeitig zu verlassen.
Der zuständige Staatsanwalt Weiss, der sich mit der Meldung über den Synagogenbrand an seinen Vorgesetzten in Karlsruhe wandte, wurde von diesem unterbrochen: "Die brennen in ganz Deutschland... Lassen Sie die Paragraphen zuhause, das ist eine politische Angelegenheit" und erhielt die dienstliche Weisung, über den "Brand und ihre Urheber keine Erhebungen zu machen".
Kriminalobermeister Viktor Wenzinger, der, von der Bevölkerung alarmiert, zu der brennenden Synagoge fuhr und die Feuerwehr zum Löschen anhalten wollte, wurde von Gunst davongejagt. Die Polizei beschränkte sich auf die Absperrung des brennenden Gebäudes. Auf die Frage nach dem Grund für den Brand erhielt der ebenfalls telefonisch herbeigeorderte SA-Sanitätssturmbannführer, Medizinalrat Helmut Hanke, von dieser die Antwort: "Ja, wenn Sie das nicht wissen, wissen wir es auch nicht."
Hanke und der SS-Sturmführer Binner fuhren auf Anweisung von Gunst und Weist von Freiburg aus nach Breisach, Eichstetten und Ihringen, um auch dort den Pogromaufruf tatkräftig umzusetzen. Unterstützt wurden sie vor Ort unter anderem vom Ihringer Ortsgruppenleiter Adolf Leibinger und dem Breisacher Ernst Ichterz. Diese gehörten zu den Angeklagten in dem Prozess wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" gegen die Synagogenbrandstifter in Freiburg, Breisach, Eichstetten und Ihringen, der vom 29. bis 31. März 1949 vor dem Freiburger Schwurgericht geführt wurde. Der Prozess endete "zugunsten der Angeklagten" mit Gefängnisstrafen zwischen zwei Wochen und einem Jahr. Ermittelt wurde seit 1946, der Aufenthaltsort vieler Angeklagter war unbekannt, andere waren gefallen, befragt wurden über 40 Zeugen, die Verteidigung berief sich auf "Anweisungen ihrer Mandanten von höchster Stelle".
Auch wenn sich die Freiburger Bevölkerung den barbarischen Ausschreitungen der SS-und SA-Schargen nach einheitlichen Aussagen nicht anschloss, half dies den Opfern nicht. Am Morgen des 10. November 1938 erledigte die Gestapo ihre nächste Aufgabe – die Verhaftung aller jüdischen Männer bis zum Alter von 85 Jahren, die anhand der 1935 aufgestellten "Judenkarteien" leicht zu ermitteln waren. Sie wurden am frühen Morgen aus ihren Wohnungen geholt, zunächst im Wachlokal der Gestapo im Basler Hof, dem heutigen Regierungspräsidium, auf engsten Raum zusammengetrieben, dann auf Anweisung des Polizeidirektors Günther Saksofsky ins Kornhaus überführt und bis zum Abtransport ins KZ Dachau im Gefängnis in der Johanniterstraße inhaftiert. Im Laufe des Tages lieferte die Polizei dort 137 jüdische Männer ein, davon 99 aus Freiburg und die anderen aus umliegenden Gemeinden. Perfide schrieb die "Freiburger Tagespost": "Eine größere Zahl von Juden musste zu ihrer eigenen Sicherheit in Schutzhaft genommen werden." Sie alle wurden teilweise bis zu sechs Monaten im KZ Dachau interniert; Apotheker Julius Friedberg (63) und Professor Ernst Beck (53) überlebten die Schikanen nicht. Wer zurückkam, wie der Onkel des Freiburger Juden Hans Kaufmann "kahlgeschoren, abgemagert, ein Wrack", versuchte zu emigrieren. Viele waren völlig mittellos, auch wenn sie vorher noch Vermögen besessen hatten. Bereits am 12. November 1938 wurde festgelegt, dass die deutschen Juden eine Vermögensabgabe von insgesamt einer Milliarde Reichsmark zu leisten hatten, als "Sühneleistung" für ihre angeblichen Verbrechen.
"Die restlose Ausmerzung der Juden aus dem Volksleben in Deutschland", so eine Verlautbarung des badischen Propagandaamtes am 1. Dezember 1938, war das Ziel der seit der "Machtergreifung" der Nazis 1933 gegen die Juden mittels zahlreicher Verordnungen und Gesetze einsetzenden Entrechtung; die "Reichskristallnacht" 1938 ein Rückfall in die Barbarei. Der Holocaust, "die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa" – so Adolf Hitler –, war ein Staatsverbrechen; effizient durchgeführt von ordentlichen deutschen Behörden "dank" eines funktionierenden Staatapparats.
Im Juni des Jahres 1933 wurden bei einer Volkszählung in Freiburg noch 1138 Juden erfasst. 1940 verzeichnete die jüdische Gemeinde in Freiburg noch 600 Mitglieder. Mindestens 360 Juden aus Freiburg wurden am 22. Oktober nach Gurs deportiert, nur 77 überlebten. Wer zurückblieb, wurde 1942 nach Theresienstadt und in andere Konzentrationslager gebracht; nur wenige kamen zurück.
Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der Badischen Zeitung von
Ulrike Rödling
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