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"Das wäre ein Schildbürgerstreich"
LÖRRACH. Im Kreis Lörrach und am Hochrhein sorgt die Bahn erneut für Ernüchterung. Grund ist die geplante Verknüpfung der Neubaustrecke (drittes und viertes Gleis) mit der bestehenden Rheintalbahn am Katzenbergtunnel. Die von der Bahn gewählte Variante schränkt die Kapazität des 800 Millionen Euro teuren Tunnels sehr ein und macht den Ausbau des S-Bahn-Verkehrs am Ober- und am Hochrhein sowie dessen Verknüpfung in Basel unmöglich. Das ist die These eines Betriebs- und Fahrplankonzepts, das der Kreis Lörrach und der Regionalverband Hochrhein-Bodensee vorgestellt haben.
Das vom Züricher Büro Basler+Partner erarbeitete Konzept geht der Frage nach, ob die Milliarden-Investitionen in das dritte und vierte Gleis auch ein leistungsfähiges Nahverkehrssystem zwischen Freiburg, Basel und Singen ermöglichen. "Im Prinzip haben wir einen Fahrplan 2025 erstellt", sagt der Vorsitzende des Regionalverbands Bernhard Wütz. Dessen Eckpunkte sind die angedachten Verbesserungen im Nahverkehr sowie das erwartete Güterverkehrsaufkommen.
Im Nahverkehr geht’s dabei in erster Linie um einen durchgehenden 30-Minuten-Takt auf der Oberrheinstrecke zwischen Freiburg und Basel. Zudem soll das Angebot auf der Hochrheinstrecke ausgebaut und in einer Kombination von S-Bahnen (zwischen Basel und Waldshut) und Regionalverkehr (Richtung Singen) ebenfalls auf einen 30-Minuten-Takt gebracht werden. Weiterhin soll es möglich bleiben, das Kandertal per S-Bahn von Weil her zu erschließen. Die Dimension des Güterverkehrsaufkommens leitet sich aus der Prognose ab, die das Land für 2025 ermitteln ließ. Danach ist von 304 Zügen in beiden Richtungen (146 gen Basel, 158 gen Freiburg) auszugehen.
Als neuralgische Punkte der Fahrplan-Konzeption erweisen sich die fehlende Elektrifizierung der Hochrheinstrecke und die mangelnde Kapazität auf der Oberrheinstrecke zwischen Müllheim und Basel. Letztere hängt nach der Studie aber einzig an der Anbindung des Katzenbergtunnels. Theoretisch ließe sich das prognostizierte Güterzugaufkommen zwar komplett durch den Tunnel führen. Praktisch aber scheitert das an den bei Weil-Haltingen und Buggingen mit Weichen geplanten Verknüpfungen der alten und der neuen Strecke und deren großem Abstand vom Tunnel. Denn dadurch können weniger Güterzüge durch den Tunnel geführt werden. Stattdessen drängt der Güterverkehr weiter auf die alte Rheintalbahn und verdrängt dort den Nahverkehr: Das zumindest fürchten Kreis und Regionalverband.
Beide fordern "massive Korrekturen der Planung", so Landrat Walter Schneider. Zumal das Land schon signalisiert habe, dass es bereit ist, bei der Neuausschreibung des Nahverkehrs für die Zeit nach 2016 die Wünsche der Region aufzugreifen. Deshalb soll die Verbindung von alter und neuer Trasse zumindest weichenlos sein und am besten auch näher am Tunnel liegen. Zumindest an dessen Südende aber wäre das ohne Eingriff in den im Bau befindlichen Abschnitt bis Haltingen nicht mehr möglich. Allemal aber erforderte eine Verknüpfung ohne Weichen auch Überwerfungsbauwerke mit etwa 1,5 Kilometer langen Rampen. Die aber verteuern das Projekt und lassen sich auch nicht an jeder Stelle realisieren.
Gleichwohl geben sich Schneider und Wütz, der Lörracher Kreistag und der Regionalverband kämpferisch. "Es geht um ein Jahrhundertbauwerk, das mit Steuergeld finanziert wird", sagt Wütz. Das müsse so gebaut werden, dass es nicht nur der Bahn nutze. Zudem müsse es möglich sein, eine Planung, die nicht abgeschlossen ist, zu modifizieren. "Einen Fehler, der identifiziert ist, nicht zu ändern, wäre ein Schildbürgerstreich", so der Regionalverbandsvorsitzende. Einen ersten Teilerfolg schreiben sich die Vertreter der Region bereits auf ihre Fahne: Das Regierungspräsidium habe zugesagt, die Erkenntnisse in die weiteren Verfahren einzubeziehen, so Schneider.
Quelle: Badische Zeitung