Badische Zeitung vom Mittwoch, 27. August 2008
Rekorde auf Rasen sind Routine Abo
Freiburgs Straßenbahnen waren die ersten, die vor 25 Jahren auf begrünten Trassen fuhren — und mehr grüne Strecken gibt’s nirgends
Von unserer Redakteurin Julia Littmann
vergrössern
Sechs Kilometer am Tag schaffen die "Green-Keeper" , die den Rasen ...mehr
25 Jahre ist es her, dass in Freiburg — als erster Stadt in Deutschland — eine Straßenbahnstrecke von Rasen eingesäumt verlegt wurde. Fachleute nennen diese ökologisch wie ökonomisch sinnvolle Konstruktion einen "Rasenbahnkörper" . Annähernd 25 Kilometer solcher grünen Strecken hat Freiburg inzwischen, das sind fast 50 Prozent des gesamten Straßenbahnschienennetzes. Und auch das ist — sogar innerhalb Europas — rekordverdächtig.
Was 1983 mit der neu gebauten Strecke zwischen Bertoldsbrunnen und Paduaallee seinen Anfang genommen hatte, ist, bei Licht betrachtet, zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Und bescherte der Freiburger Verkehrs AG (VAG) und der Stadt immerhin zwei ansehnliche Rekorde, die allerdings im routinierten, unaufgeregten Alltag beinahe unbeachtet geblieben sind.
Johann Bogel, bei der VAG Leiter des Geschäftsbereichs Infrastruktur, fand es einfach selbstverständlich, dass da über Jahre und Jahrzehnte hinweg mit den Rasenbahnkörpern nach und nach immerhin 11 Hektar Grünfläche im öffentlichen Raum angelegt wurden: "Irgendwie kam uns das gar nicht als so etwas Besonderes vor." Und doch ist es sehr besonders. Nicht nur, weil die begrünten Straßenbahngleisbetten viel zur "grünen Lunge" der Stadt beitragen und doch auf VAG-Kosten gebaut und gepflegt werden. Hinzu kommen andere günstige Effekte, wie die gute Lärmdämmung. Oder dass dank der Rasenanlagen nichtversiegelte Flächen entstanden sind.
Diese Rasentrassen sind zwar wesentlich kostengünstiger in Bau und Unterhalt als beispielsweise die in Freiburg weit verbreitete Pflasterung, aber die Pflege dieser 25 Kilometer muss in sehr kurzen Abständen geschehen. Abgesehen von einer kurzen Unterbrechung ist dafür seit 1984 die Lahrer Gartenbaufirma von Günter Kuhn zuständig. Mit zwei Mitarbeitern plus einem Signalposten der VAG macht sich Günter Kuhn im Frühjahr in der Regel alle zwei Wochen ans grüne Streckennetz, im Sommer ist das Rasen-Team etwa alle drei Wochen auf Tour.
"In vier Tagen sind wir da meistens durch" , sagt Kuhn, der selbst am liebsten am Handrasenmäher arbeitet. Etwa 15 Kilometer ist Kuhn am Ende eines Arbeitstages gelaufen, immer hin und her mit dem Rasenmäher zwischen Schiene und Bordstein. Stück für Stück arbeitet sich die kleine Wanderkolonne voran, Mähtraktor und Trimmer bearbeiten Flächen und Kanten. Für Günter Kuhn ist das Ergebnis auch nach 20 Jahren noch jedesmal eine Freude. "Das muss ja hier kein Golfrasen sein" , weiß Kuhn, "aber es macht unheimlich zufrieden, wenn das so schön gepflegt aussieht, nachdem wir da drüber sind."
Und ein Golfrasen ist das satte stämmige Grün tatsächlich nicht, das da als "Rasenmischung" einst eingesät wurde. Sogar Wildkräuter gedeihen hier und da, Thymian, Schafgarbe, Spitzwegerich — gut zu sehen: hier wird nicht gespritzt. "Für Freiburg sind die vielen Kilometer Rasenbahnkörper inzwischen ein richtiges Markenzeichen" , freut sich Lars Asmus, Leiter der Abteilung "Instandhaltung Infrastruktur" bei der VAG. Dennoch: es können nicht alle Neuanlagen und sanierte Strecken begrünt werden. "Auch die Stadtgestaltung muss berücksichtigt werden" , erklärt Asmus. In der Salzstraße etwa, wäre die Rasenvariante völlig untauglich. Sachliche Gründe sprechen auch gegen eine Begrünung der Strecke in Richtung Günterstal. Dort nämlich müssten die Wiesen und Rasenflächen jenseits der Straße abgezäunt werden, um einen grünen Gleiskörper als solchen deutlich sichtbar zu machen. Wenn auch an manchen Stellen Straßenbahnen nicht im Grünen fahren können: In der Habsburgerstraße sind zumindest Teilstrecken auf Rasen geplant. Die Erfolgsgeschichte der Freiburger Rasenbahnkörper ist noch nicht zu Ende geschrieben.