Diesel kontra Strom

#1 von Steve Grötzebauch , 01.08.2008 00:51

Das Gesamtsystem Bahn kann im Vergleich
zu Pkw oder Flugzeug als umweltfreundlicher
bezeichnet werden. Aber
dahinter stecken zwei grundverschiedene
Formen der Energieumwandlung: Entweder
fahren die Züge bzw. Triebwagen mit
Diesel oder sie holen sich aus der Oberleitung
die Elektrizität, die andernorts aus
anderen Energieträgern erzeugt wurde.
Entsprechend unterschiedlich sind die
Umweltauswirkungen.
Die Frage, bei welcher Form der Energieumwandlung
mehr CO2 pro Kopf und
Kilometer anfällt, ist nicht trivial: Schon
beim UmweltMobilCheck der Deutschen
Bahn zeigt sich: Elektrische S-Bahnen
schneiden besser ab als eine dieselbetriebene
Regionalbahn, elektrische Regionalexpresse
dagegen schlechter. Der Unterschied
zwischen RE und S-Bahn beruht
dabei allein auf dem Auslastungsgrad,
wie der wissenschaftliche Grundlagenbericht
auf der gleichen Internetseite verdeutlicht.
Bei genau gleicher Auslastung
sind sowohl der Primärenergieverbrauch
als auch der CO2-Ausstoß pro Kopf im
Dieselzug geringfügig niedriger.
Allerdings werden unabhängig davon
sowohl bei der Diesel- als auch bei der
Elektrotraktion einige Faktoren wirksam,
die im Einzelfall die Ergebnisse völlig verändern
können:
1. Der Unterschied zwischen den eingesetzten
Fahrzeugen spielt eine Rolle –
Dieselzüge mit drei Doppelstockwagen
bieten etwa dreimal so viele Sitzplätze
wie ein Dieseltriebwagen (Typ VT 642) –
bei gleicher Auslastung ist der Pro-Kopf-
Verbrauch zwar fast gleich, die erfordert
im Zug mit den Doppelstockwaggons
aber dreimal
so viele Fahrgäste.
2. Ein wesentlicher
Faktor ist der Abstand zwischen
den Haltepunkten:
Hält ein Dieseltriebwagen alle 3 km an,
so verbraucht er ca. 50 % mehr Diesel als
wenn er nur alle 14 km bremsen und anfahren
muss. Bei der Elektrotraktion wird
der Nachteil der kurzen Abschnitte dadurch
etwas abgemildert, dass Bremsenergie
ins Netz zurückgespeist wird.
3. Der spezifische Energieverbrauch
schwankt mit der Jahreszeit: In der Heizperiode
steigt er deutlich an.
Vorerst kann man im Umwelt-Wettbewerb
zwischen der Diesel- und der
Elektrotraktion ein „Unentschieden“ verkünden.
Der geringe Vorteil der Dieselzüge
kann durch andere Faktoren sehr
schnell umschlagen, daher sollte man
öffentlich mit Mittelwerten für das Gesamtsystem
„Zug“ rechnen.
Für die zukünftigen Strategien gibt
es jedoch durchaus Unterschiede: Die
Zusammensetzung des Stroms ändert
sich von Jahr zu Jahr, so stieg der Anteil
regenerativer Energien am Strom-Mix
zwischen 1996 und 2006 von ca. 4 % auf
über 11 % an, zugleich sank der Anteil der
fossilen Energieträger (Kohle, Öl, Gas)
von knapp 64 % auf knapp 59 %, der Rest
entfiel v. a. auf die Kernkraft. 2007 wurde
mit 14 % schon der nächste Rekord bei
der Erzeugung von regenerativem Strom
in Deutschland gemeldet, die Ziele sind
noch weit höher gesteckt. Tendenziell
wird der Strom also von Jahr zu Jahr umweltfreundlicher
Der Diesel für die
Bahn hat übrigens die
gleiche Zusammensetzung
wie derjenige von
der Straßen-Tankstelle:
Über 90 % werden aus
Erdöl gewonnen, beigemischt wird die
festgelegte Quote an Agrarkraftstoffen
(Biodiesel). Während die Importabhängigkeit
durch diese Beimischung etwas
abgemildert wird, war die Ökobilanz des
Biodiesels in letzter Zeit wieder öffentlich
sehr umstritten, da auch die Düngemittel
in der Landwirtschaft erheblich zum
Treibhauseffekt beitragen. Und auch die
verfügbaren Mengen an Biodiesel lassen
sich ohne transportintensive Importe
kaum steigern. Selbst die so genannten
„Biokraftstoffe der zweiten Generation“
werden den europäischen Verkehrssektor
vom Erdöl nicht unabhängig machen.
Bei der zukünftigen Klimabilanz wird
so die Bahn mit Oberleitung die Nase vorn
haben, denn bei der Stromerzeugung haben
Sonne, Wasser, Wind und Erdwärme
ihre Grenzen noch lange nicht erreicht. Zusammen
mit innovativen Speichertechnologien
können sie mittelfristig zum Rückgrat
der Stromversorgung werden.
Abgeschlagen auf Platz drei bei
den Traktionsarten landet übrigens die
Dampflok: Eine Dampfeisenbahn verbraucht
selbst im Sommer (ohne Wagenheizung)
rund 2 t Steinkohle auf 100
Kilometer. Wenn die Dampflok dann
durchschnittlich 5 Wagen zu je ca. 40
Plätzen zieht, fällt selbst bei voller Belegung
aller Plätze mehr CO2 an, als wenn
jeder Passagier die Strecke allein im Pkw
zurückgelegt hätte.

 
Steve Grötzebauch
Beiträge: 214
Registriert am: 12.06.2007


   


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