Nun, eigentlich ’gehört’ ein solch komplexes Thema, wie “Alkohol und Aggression bei Jugendlichen – wohin soll das alles führen?“ nicht unbedingt in dieses Forum ... Aber sei’s d’rum: Ignorieren geht jetzt ohnehin nicht mehr, und bei mir schon gar nicht, da ich mich seit meinem 17. Lebensjahr dem Thema “Jugend“ verschrieben habe (Als Mitarbeiter der "Kinderkirche" war ich verantwortlich für die ’Großen’ zwischen 12 und 14, anschließend in Ermangelung von Sozialarbeitern aktiv in sog. “Basisgruppen“ und AG’s – zunächst in einer “Teestube“, dann in zwei selbstverwalteten Jugendhäusern, und so ist es nur selbstverständlich, dass ich mich bis heute immer wieder in Jugendarbeit betreffenden Gremien eingebracht habe.)
Doch zurück zum Thema:
Da ich seit vielen Jahren die Badische Zeitung als Print- und E-Paper-Ausgabe abonniert habe, möchte ich hier – obwohl ich leidenschaftlich gerne schreibe – ausnahmsweise dieses Blatt zitieren, in welchem zwei sehr gute, empfehlenswerte Artikel zu dieser Problematik erschienen sind:
Badische Zeitung vom Dienstag, 24. Juli 2007 Freiburger Zeitung, S. 19
(Aus Platzgründen leider meist nur die jeweiligen Überschriften):
Zitat
Die Freiburger Innenstadt ist ein schwieriges Pflaster geworden. So gut wie immer ist Alkohol im Spiel, wenn es vor allem am Freitag und Samstag Schlägereien gibt. Die Polizei hat reagiert und zeigt durch das Sonderprogramm „Gewa-City“ verstärkt Präsenz. Wir haben von Freitagabend bis Samstagfrüh eine Nacht lang die Polizisten beim Einsatz im „Bermuda-Dreieck“ und drumherum begleitet.
Um 3 Uhr früh ist Schluss mit lustig[/size]
Auf Tour mit der Polizei: Vor allem Betrunkene machen Ärger
Die Innenstadt ist an diesem Abend eine Partyzone: voll, laut, fröhlich. Am Rande des so genannten Bermuda-Dreiecks sind wie jeden Freitag und Samstag Polizeibeamte vor zwei Streifenwagen postiert. Erst sind sie nur Beobachter, doch das ändert sich noch im Laufe der Nacht. Die Bilanz um 6 Uhr früh lautet: mehrere Schlägereien, Platzverweise, eine volltrunkene 16-Jährige und ein Raub. Auffallend: Täter, aber auch Opfer und Zeugen waren alkoholisiert — durch die Bank weg mit mindestens 1,0 Promille und mehr.
Verstärkte Präsenz soll Gewaltexzesse stoppen
Um 22 Uhr startet die "Gewa-City" mit Einsatzleiter Alexander Schätzle ihren Einsatz am Bermuda-Dreieck. Seit Mai läuft das Programm, in dessen Name das Wort "Gewalt" steckt. An Freitagen und Samstagen wird der normale Streifendienst durch das "Gewa-City-Team" verstärkt. Die zusätzliche Präsenz zeigt erste Wirkung: "Die Zahl der Delikte ist etwas zurückgegangen" , sagt Polizeihauptkommissar Schätzle. Vielleicht habe aber auch das schlechte Wetter die Statistik positiv beeinflusst, meint er.
Der Augustinerplatz macht wenig Kummer
In Hamburg, da ist aber alles noch viel schlimmer
(...) "Mann, ihr habt ja ein schlankes Leben" , meint ein anderer Passant, "ich bin grad aus Hamburg hierher gezogen — dort muss die Polizei auf dem Kiez schon mit Sondereinheiten ran." (...)
Wodka bringt ein junges Mädchen nahe ans Koma
Um 1.05 Uhr wird die Musik herunter gefahren
Unfreundliche Kontakte auf dem Uni-Kontakthof
Student in Handschellen auf dem Polizeirevier
(...) Der "Nüchternste" von ihnen ist fast enttäuscht, dass er nur ein Promille Alkohol im Blut hat. Der Rest liegt bei 1,5. Der Polizist schüttelt den Kopf, als die Vier abgezogen sind: "Wo führt das alles nur hin?"
Ein Schlafender wacht ohne Handy auf
Schichtende: Es war eine ganz normale Nacht
Joachim Röderer, Redakteur
Badische Zeitung vom Samstag, 29. Juli 2006
(Auszug)
Zitat
[size=150]"Es gibt immer weniger Jugendliche, die gemäßigt trinken"
BZ-INTERVIEW: Psychologin Jeanette Piram von der Freiburger Jugend- und Drogenberatungsstelle über exzessives Trinken und mangelnde Kontrollen.
Wie hat sich das Ausgehverhalten von Jugendlichen verändert? Und was muss getan werden, um sie besser zu schützen? Darüber sprach Frank Zimmermann mit der Psychologin Jeanette Piram, Leiterin der Freiburger Jugend- und Drogenberatungsstelle (Drobs).
BZ: Frau Piram, die Polizei klagt über zunehmende Probleme mit Heranwachsenden, die sich im Diskothekenviertel betrinken und Rabatz machen. Haben Sie ähnliche Beobachtungen gemacht?
Piram: Ein wichtiger Unterschied ist, dass die Szene jetzt ganzjährig unterwegs ist. Früher gab es ein paar Highlights — Weinfeste, Dorffeste, Hocks — , aber nicht in dem Maße Diskos und Bars, die ganz gezielt mit billigen Angeboten um Kunden werben. Und auch bei den Jugendlichen hat sich etwas verändert: ihr Ausgehverhalten. Es gehört sich, dass man trinkt — das ist keineswegs mehr auf den Freitag- und Samstagabend beschränkt. Heute gehen Jugendliche auch unter der Woche abends "abhängen" , und "abhängen" ist eben ganz oft mit Alkohol kombiniert. Da wird dann auch kein Unterschied mehr gemacht zwischen einem herkömmlichen Leichtbier oder Weißwein und harten Sachen oder Longdrinks.
BZ: Teilen Sie die Meinung der Polizei, dass der Alkoholkonsum unter Heranwachsenden zunimmt ?
Piram: Ich glaube, es gibt ganz viele sehr vernünftige Jugendliche, die hochkritisch mit dem Thema umgehen. Und dann gibt es eben die anderen, die umso mehr konsumieren. Ich glaube, diese Schere wird deutlich größer — das heißt, es gibt immer weniger, die gemäßigt trinken. Irgendwie ist das modern und zum Hobby geworden, sich "über die Grenze rüber zu trinken" — Extremkonsumenten prahlen sogar damit, wie besoffen sie waren.
BZ: Sollten Diskos und Bars auf Angebote wie "Happy Hour" , bei denen viel für wenig Geld getrunken werden kann, verzichten?
Piram: Ich finde "After-Work-" und "Happy-Hour" -Angebote prinzipiell eine gute Idee, um soziale Kontakte zu pflegen. Aber ich appelliere an die Bars, andere Dinge anzubieten. Das Problem ist, dass alles immer mit Alkohol kombiniert wird, da kriegt man als Jugendlicher, der sich zum ersten Mal in die Gesellschaft hineinbewegt, den Eindruck, dass alles immer mit Alkohol gekoppelt sein muss — dass Alkohol das Einzige ist, was entspannt, das Einzige, was locker und Spaß macht. Ein Stück weit kann man das Problem natürlich auch über den Preis regeln: Solange Mineralwasser nicht billiger wird als jedes Alkohol-Getränk, trinke ich auch lieber anderes als Mineralwasser. (...)
Frank Zimmermann
Sicherlich wäre es mehr als sinnvoll gewesen, nicht nur den Gebrauch von Zigaretten an Jugendliche unter 18 Jahren gesetzlich zu verbieten, sondern auch die Abgabe von Alkohol an Heranwachsende diesen Alters. Dass verschiedentlich Discos zum “Flatrate-Saufen“ ’einladen’ halte ich – gelinde ausgedrückt – für gewissenlos!
Es muss unser aller Bestreben sein, den Jugendlichen eine Lebens-Perspektive zu bieten, damit sie ihr Selbstwertgefühl wiederfinden können, und sich nicht mehr (nur) über den Grad ihres “Bewusstlossaufens“ glauben definieren zu müssen, um Anerkennung und Bestätigung zu finden!
E d g a r
(Anmerkung in eigener Sache:
Sorry, liebe Badische Zeitung, dass ich diese beiden Artikel hier veröffentliche, aber ich finde sie sehr, sehr gut und fände es überaus bedauerlich, wenn sie fortan lediglich ’ungenutzt’ in einem Archiv (kann man übrigens bei der BZ für Recherchen nutzen!) ein unwirksames Dasein fristen müssten ... Sollten Sie dennoch Bedenken gegen meine Eigeninitiative haben, teilen Sie mir dies bitte kurz mit, und ich werde sie selbstverständlich umgehend wieder entfernen.)