Straßenbahnhaltestelle(n) und Rettungsfahrzeuge

#1 von Edgar , 31.05.2008 02:45

Gestern (Freitag) Mittag gegen 12:12 Uhr wollte vor der Lessing-Realschule ein nahezu minutenlanges, lautstarkes "Tatü-Tata" nicht enden, woraufhin ich aus dem Fenster schaute und sah, wie ein Malteser-Krankenwagen im Stau Richtung Stadtmitte steckte, und ich habe mich gefragt, warum er nicht einfach über die Straßenbahnhaltestelle gefahren ist, um sämtliche Autos zu überholen, zumal keine Straßenbahn in Sicht war und es bei Rettungseinsätzen doch 'um Sekunden' geht ?

Kurze Zeit später erklärte mir die Mutter einer Schülerin, dass sie dies von der Haltestelle "Maria-Hilf-Kirche" schon 'gewohnt' sei: Die Rettungsfahrzeuge würden über eine unverhältnismäßig lange Zeit im Stau des Autoverkehrs stecken, weil sie keine Möglichkeit hätten, über die erhöhte Straßenbahnhaltestelle auszuweichen ...

Nun meine Frage: Wie sieht das rein rechtlich aus ? Dürfen Rettungsfahrzeuge nicht über Haltestellen ausweichen, und wenn 'doch', warum wurde dies durch Erhöhungen, wie z. B. an der Haltestelle "Maria-Hilf-Kirche" unterbunden ???

 
Edgar
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RE: Straßenbahnhaltestelle(n) und Rettungsfahrzeuge

#2 von Steve Grötzebauch , 31.05.2008 03:07

In Halle/Saale ist das durchaus gang und gäbe, dass Krankenwagen teils über die Straßenbahnschienen fahren, aber nicht durch Haltestellenbereiche.
Ich glaube, da liegt ja dann eine Gefährdung vor, nicht nur wegen der Fahrgäste, sondern auch wegen einer ev. entgegekommenden Tram.

§ 35 StVO Sonderrechte


= die volle oder teilweise Befreiung von den Bestimmungen der StVO
>> Beachte: § 70 IV StVZO!


Abs. 1:


Angehörige der Polizei, Bundeswehr, BGS, Feuerwehr, Zolldienstes, Katastrophenschutzes sind von allen Vorschriften der StVO befreit, soweit dies zur Erfüllung ihrer hoheitlicher Aufgaben dringend geboten ist.


Erläuterungen:


Berechtigtenkreis:


* Unter Polizei fallen alle Polizeibeamten unabhängig davon, ob sie sich "im Dienst" befinden, Uniform tragen oder sich im Bereich ihrer eigenen oder einer anderen Dienststelle befinden. Dasselbe gilt für den gesamten Berechtigtenkreis.


* Zur Polizei zählen auch Forstbeamte und Jagdaufseher nach dem BJagdG.


* Ferner zählen dazu auch ausländische Polizeibeamte im Rahmen zulässiger Nacheile( Abs. 1a).


* Bundeswehr umfaßt alle ihre Einheiten.


* Zur Feuerwehr zählen sowohl Berufs-, Werks- als auch freiwillige Wehren.


Von den Vorschriften der StVO befreit:


Aber:


* Sonderrechte dürfen nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden ( § 35 VIII StVO). Dieses gilt auch für die nachfolgenden Absätze.( V, Va, VI, VII)


* Ausschluss von Gefährdungen oder Schädigungen


* § 35 StVO befreit den Berechtigten nicht von der Beachtung von Zeichen und Weisungen eines Polizeibeamten i.s.d. § 36 StVO.


* Bei einer unzulässigen Inanspruchnahme von Sonderrechten nach § 35 StVO wird nicht gegen § 35 StVO verstoßen, sondern gegen die verletzte StVO-Norm ( z. B. §§ 3, 4, 37 StVO).


* Gegen § 35 StVO wird nur dann verstoßen, wenn Sonderrechte nicht unter gebührender Berücksichtigung der öffentliche Sicherheit und Ordnung erfolgen ( § 35 VIII StVO). Aber auch wenn spezielle Bestimmungen wie das Tragen von Warnkleidung nicht befolgt werden.


* Die Befreiung ist nicht von der Verwendung von Blaulicht und Einsatzhorn abhängig. Jedoch wird ihre Verwendung grundsätzlich durch die VwV, soweit möglich und zulässig, gefordert


Hoheitliche Aufgabe:


Definition:
Bezogen auf die Polizei sind das alle Aufgaben, die der Polizei durch Gesetz oder Verordnung auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr, Strafverfolgung oder Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten übertragen worden sind.


* z. B. Verkehrsunfallaufnahme, Verfolgung von Straftätern auf frischer Tat aber auch allgemeine Streifenfahrten


* Manöver und Übungen der Bundeswehr zählen auch zu den hoheitlichen Aufgaben.


Dringend geboten:


Definition:
Dringend geboten ist ein Abweichen von den Vorschriften der StVO nur, wenn die hoheitliche Aufgabe bei Beachtung der Verkehrsregeln
a) nicht o d e r
b) nicht ordnungsgemäß o d e r
c) nicht so schnell genug, wie zum allgemeinen Wohle erforderlich ausgeübt werden könnte.


Folglich: Es muß eine Abwägung zwischen der hoheitlichen Aufgabe als Teil des Gemeininteresses und der Nichtbeachtung der StVO stattfinden.
Kommt auch eine spätere Durchführung der hoheitlichen Aufgabe ohne nachteilige Folgen in Betracht, so ist die Nichtbeachtung der StVO unzulässig.


Bsp.: Der Transport von prominenten Persönlichkeiten ist unter Nichtbeachtung der StVO unzulässig, wenn es nur darum geht, bestimmte Terminabsprachen einzuhalten.


Abs 5:


NATO- Truppen dürfen auch Sonderrechte in Anspruch nehmen.


Abs. 5a:


Fahrzeuge des Rettungsdienstes sind von allen Vorschriften der StVO befreit, wenn höchste Eile geboten ist, Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwehren.


Erläuterungen:


Fahrzeuge des Rettungsdienstes:


* Die Inanspruchnahme des Sonderrechts ist bei Abs. 5a nicht an einen Berechtigtenkreis, sondern an das Fahrzeug als Rettungsfahrzeug gebunden.


* Dazu zählen Fahrzeuge des Roten Kreuzes, der Malteser- und Johanniter- Hilfsdienste sowie auch private Rettungsfahrzeuge.


* Soweit der Transport zu den hoheitlichen Aufgaben der Feuerwehr zählt, genießt dieser die Sonderrechte nach Abs. 1.


* Der Einsatz von blauen Blinklicht und Einsatzhorn wird bei Abs. 5a nicht gefordert.


Von den Vorschriften der StVO befreit:


Verweis auf Abs.1


Höchste Eile:


Definition:
Höchste Eile ist geboten, wenn die konkrete Situation begründeten Anlaß zu der Befürchtung gibt, dass ohne diese Eile ein Schaden für das Gut Leib/ Leben entstehen oder vergrößert werden würde.


* Hinsichtlich der Einsatzfahrt wird eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verlangt und eine daraus resultierende zeitliche Dringlichkeit; vage Vermutungen reichen nicht aus.


* In der Regel korrespondiert die Begründung der höchsten Eile mit den beiden Punkten


Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwehren:


* Die Voraussetzung zur Rettung von Menschenleben impliziert, dass der Fahrer des Rettungsfahrzeugs entweder aufgrund des Einsatzbefehls oder aufgrund einer sachgerechter Prüfung der Überzeugung ist, dass Menschenleben in Gefahr sind.


* Folglich dürfte die Abwendung schwerer gesundheitlicher Schäden i.d.R. zutreffender sein, da sie nicht so weitgehend ist.


Abs. 6 und 7


Wegedienstfahrzeuge und Postfahrzeuge dürfen Teilsonderrechte in Anspruch nehmen.


Erläuterungen:


Wegedienstfahrzeuge:


Dazu zählen alle Fahrzeuge des(r) Straßenbaus, -unterhaltung, -reinigung, Winterdienstes und Müllabfuhr, die mit einem weiß-roten Warnanstrich gekennzeichnet sind.


Postfahrzeuge:


* Alle Fahrzeuge die der Beförderung von Postsendungen oder dem Bau bzw. der Unterhaltung von Fernmeldeeinrichtungen dienen.


* Dazu zählen auch die Fahrzeuge der Folgeunternehmen Dt. Telekom und Dt. Post AG.


Teilsonderrechte:


* Wegedienstfahrzeuge dürfen
a) auf allen Straßen und Straßenteilen,
b) auf jeder Straßenseite,
c) in jede Richtung,
d) zu allen Zeiten
fahren und halten, soweit dies ihr Einsatz erfordert.

* Demzufolge sind Wegedienstfahrzeuge u.a. von den §§ 2, 12, 30, 237, 250 ff, 340 usw. StVO befreit.


* Die berechtigte Inanspruchnahme dieser Teilsonderrechte darf nicht zu wesentlichen Behinderungen führen.


* Die Nichtbeachtung der StVO muß einsatzbedingt notwendig sein, d.h. es ist zu prüfen, ob die notwendigen Arbeiten auch unter den Bedingungen der StVO ausgeführt werden könnten.


* Für die Inanspruchnahme genügt ferner das Einschalten des gelben Blinklichts oder eine andere auffällige Kennzeichnung.


* Die eingesetzten Kräfte müssen eine auffällige Warnkleidung tragen.


* Alle übrigen Bestimmungen der StVO wie z.B. §§ 3, 4, 5, 8 etc. sind zu beachten.


* Postfahrzeugen stehen die gleichen Teilsonderrechte wie den Wegedienstfahrzeugen zu, soweit der Einsatz dies erfordert.


* Ausgenommen sind jedoch die Nichtbeachtung des Rechtsfahrgebotes und die Notwendigkeit auffälliger Warnkleidung oder -anstriche.

 
Steve Grötzebauch
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