Zur Zukunft des
Intercity-Netzes der Deutschen Bahn AG
31. Juli 2008
Intercity-Netz schrumpft binnen zehn Jahren um zwei Drittel – Fahrgastverband PRO BAHN veröffentlicht detaillierte Prognose zum Fernverkehr der Deutschen Bahn AG – Regionen und Tourismusverkehr besonders hart betroffen
Das Intercity-Netz der Deutschen Bahn AG wird innerhalb der nächsten zehn Jahre stark schrumpfen. Nur ein Drittel der heute verkehrenden Intercity-Züge werden im Jahr 2018 noch fahren und dann als ICE unterwegs sein. Das ist das Ergebnis einer Prognose des Fahrgastverbandes PRO BAHN, das zum 1. August in der Verbandszeitschrift „derFahrgast“ veröffentlicht wird.
Die Prognose des Verbraucherverbandes beruht auf der Analyse der derzeitigen Marktverhältnisse und der Geschäftspolitik der DB und der Staatsbahnen der Nachbarländer. „Unsere Prognose zeigt: Vom heutigen Intercity-Netz bleiben nur die Linien Hamburg–Köln–Koblenz–Frankfurt, Hannover–Leipzig, Frankfurt–Stuttgart–Salzburg und einige Anschlussfahrten,“ erläutert Rainer Engel, Chefredakteur der Verbandszeitschrift derFahrgast“. „Städte wie Emden, Oldenburg, Uelzen, Greifswald, Gießen, Marburg, Weimar, Jena, Trier, Ansbach und Aalen werden dann keinen Fernverkehrsanschluss mehr haben.“
„Es wird schon lange behauptet, dass die Deutsche Bahn AG ihr Angebot im Schienenfernverkehr stark reduzieren wird. Seit kurzem ist klar, dass es für den Intercity keine neuen Fahrzeuge geben wird: die Deutsche Bahn hat eine Großserie von ICE-Triebwagen ausgeschrieben. Diese werden einen kleinen Teil der noch aus der Staatsbahnzeit stammenden Intercity-Wagenzüge und die ICE der ersten Generation ablösen,“ erläutert Engel die Situation.
„Die Reduzierung des Fernverkehrsangebots hat allerdings wenig mit dem Verkauf von Kapitalanteilen der DB an Investoren zu tun, sondern mit den ungünstigen Rahmenbedingungen für eigenwirtschaftlichen Schienenverkehr in Deutschland. Bereits zur Zeit der Bahnreform 1994 wurde die Wirtschaftlichkeit des Schienenfernverkehrs falsch eingeschätzt. Die Folgen zeigen sich jetzt, weil die Intercity-Züge ersetzt werden müssen, die der DB damals praktisch kostenlos überlassen wurden. Der Kauf neuer Züge auf eigene Kosten lohnt sich für die DB nur für einige stark nachgefragte Verbindungen. Deshalb ist auch nicht damit zu rechnen, dass andere Unternehmen die Lücken füllen. „Die eigenwirtschaftlichen Fernverkehrszüge anderer Unternehmen kann man an den Fingern einer Hand aufzählen,“ so Engel
Besonders hart betroffen wird der Tourismusverkehr: “Intercity-Züge nach Westerland und Oberstdorf wird es bald nicht mehr geben,“ so Engel. „Für den aufwendigen Dieselbetrieb mit Lokwechsel wird die DB in zehn Jahren keine geeigneten Fahrzeuge mehr haben. Zu anderen Zielen in den bayerischen Alpen, in den Schwarzwald und an der Nordsee- und Ostseeküste werden voraussichtlich noch am Wochenende einzelne ICE-Züge verkehren, mehr aber nicht.“
Nach Auffassung des Fahrgastverbandes zielt die Unternehmensstrategie der DB darauf ab, sich schleichend Linie für Linie vom Fernverkehr in der Region zu verabschieden. „Die DB dementiert ständig solche Absichten, aber die Intercity-Wagen sind überwiegend 30 Jahre alt und am Ende ihrer Lebensdauer. Bereits für den nächsten Fahrplanwechsel gibt es Listen, aus denen der schleichende Rückzug ersichtlich ist. Wenn die DB früh morgens und spät abends einige neue Ziele mit Fernverkehrszügen ansteuert, dann ist das Kosmetik, um den wahren Trend zu verschleiern,“ so Engel.
Der Farhrgastverband sieht Bund, Länder und Städte in der Pflicht. „Bis jetzt kämpft noch jede Region einzeln um ihren Fernverkehrsanschluss – meist erfolglos oder mit Scheinerfolgen,“ stellt Engel fest. „Die Möglichkeiten, Ersatz für den Intercity zu schaffen, sind vielfältig. Aber es wird nur eine günstigere Entwicklung als unsere Prognose geben, wenn alle von Flensburg bis Garmisch erkennen, dass sie im gleichen Boot sitzen und eine gemeinsame Strategie brauchen. Die DB denkt mit ihrer Fahrzeugbeschaffung bereits für 27 Jahre im Voraus, es ist daher hohe Zeit, gegenzusteuern.“
Der Fahrgastverband fordert daher günstigere steuerliche Bedingungen für den Fernverkehr, eine bessere Zusammenarbeit der Bundesländer auf Politik- und Fachebene und mehr Geld aus Bundesmitteln, um die Lücken zu füllen.
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